In den letzten Jahrzehnten hat sich in der therapeutischen Praxis gezeigt, dass sich die hohe Kunst und entsprechendes Kunstschaffen als eine bedeutsame, heilende Kraft erweist. Weltweit finden Menschen jeglichen Alters, wenn sie mit schweren Krisen, lebensbedrohlichen Erkrankungen oder Schicksalsschlägen konfrontiert sind, unter anderem auf dem Wege des künstlerisch-kreativen Ausdrucks ein Mittel, innere Kräfte zu mobilisieren, um widrigen Lebensumständen flexibler entgegenzutreten und Unangenehmes besser zu überwinden. Die Wertschätzung der hohen Kunst als menschenbildende Kraft hat historische Wurzeln, die bis nach Altgriechenland reichen. Wiederaufgenommen wurde dieses Erziehungsideal von herausragenden, von der Aufklärung geprägten Pädagogen, wie einem Johann Heinrich Pestalozzi (1746–1827), und zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Reformpädagogen. Die Kunst therapeutisch zu nutzen, war das Verdienst vor allem von Heilpädagogen und Ärzten. Zu den Wegbereitern zählt der Schweizer Psychoanalytiker Carl Gustav Jung (1875–1961), der schon vor den 20er Jahren vieles vorwegnahm, was heute in verschiedenen Gebieten der Kunsttherapie praktiziert wird, so im klinisch-therapeutischen, heilpädagogischen oder sozialpädagogischen Bereich.